Schulzeugnis: Das Leben ist so viel mehr als Schule
Vor den Sport- und Sommerferien gibt's Schulzeugnisse. Soll man den Nachwuchs für gute Note belohnen? Und was, wenn nur schlechte im Zeugnis stehen? Eine Expertin weiss Rat.
Schulzeugnisse und Noten nicht überbewerten
Eltern sollten sich bewusst sein: «Das Zeugnis ist eine Momentaufnahme, bei der das eigene Kind in Bezug zu anderen gesetzt wird», findet Jolanda Hohl, Primarlehrerin, Lern- und Familiencoach mit eigenem Lernatelier in Oeschgen im Fricktal AG. Deshalb lieber auf das individuell Erreichte des Nachwuchses fokussieren («Wo bist du besser geworden?», «Was kannst du gut?»). Anstrengung und Bemühen dürften Eltern vom Kind erwarten – aber nie eine spezielle Leistung. Ausserdem sei es wichtig zu betonen: Du bist mehr als dein Notendurchschnitt!
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Gezielt loben
«Toll, eine 5 in Mathe!», freut sich der Vater für die Tochter. Und sagt dann idealerweise: «Wie hast du das gemacht?» Damit signalisiert er dem Kind: Du kannst es selbst beeinflussen! «Mit individuellen Reaktionen, die direkt Bezug auf die Tochter nehmen, lässt sich das Selbstbewusstsein von Kindern enorm stärken», weiss Jolanda Hohl. Wer sich sicher fühlt, wagt sich eher an schwierige Aufgaben und kann besser mit Frust umgehen.
Wie wärs mit einem kleinen Glücksbringer für einen Extraschub Selbstvertrauen für die nächste grosse Prüfung?
Was, wenn andere bessere Noten haben?
Irgendwann realisiert das Kind vielleicht: «Andere sind besser als ich.» In solchen Situationen liegt es an den Eltern, zuzuhören und das Kind die womöglich schlechten Gefühle aushalten zu lassen («Ich verstehe, dass du frustriert bist.»), aber auch Hilfe anzubieten («Was könnten wir tun, damit du besser wirst?»). Gibt es unter Geschwistern grosse Leistungsunterschiede, ist es wichtig, auf die Stärken des Kindes zu fokussieren, die womöglich ausserhalb der Schule liegen. Dabei ist die Haltung der Eltern («Das Leben ist so viel mehr als Schule!») ganz entscheidend.
Die beste Strategie bei schlechten Noten? Weiter lernen!
«Müht sich das Kind sehr, gilt es, auch kleine Fortschritte zu loben», rät die Fachfrau, «das wirkt Wunder!» Die beste Strategie bei schlechten Noten? «Weiter lernen!» Eine gute Beziehung zwischen Eltern und Kind ist dabei entscheidend. Denn: «Kinder im Primarschulalter lernen vor allem für Bezugspersonen.» Eltern oder Lehrpersonen vermögen deshalb am meisten zu motivieren.
Worum geht es beim Schulzeugnis eigentlich?
Bringt Sohn oder Tochter ein schlechtes Zeugnis nach Hause, stellt sich zunächst die Frage: Wen enttäuscht das? Die Eltern? Das Kind (weil es weiss, dass die Eltern enttäuscht sein werden?)? «Wir Eltern sollten uns in solchen Situationen bewusst machen, worum es eigentlich geht», sagt Hohl, selbst dreifache Mutter. «Nie habe ich so viel über mich gelernt wie durch meine Kinder.» Deshalb gelte es zu reflektieren: Was hat das mit mir zu tun? Aber auch: Wie gehe ich damit um? Am besten sich bereits im Vorfeld eine Strategie überlegen, damit das Kind nicht den elterlichen Frust abbekommt. Helfen kann ein Schulpostfach zu Hause, in das Sachen wandern, die das Kind von der Schule mitbringt. Eltern schauen dort erst hinein, wenn sie sich danach fühlen.
Anschliessend mit dem Nachwuchs ein ruhiges Gespräch führen («Was können wir tun, damit es nächstes Mal besser wird?», «Hey, du hast dich verbessert! Siehst du, es bringt etwas, wenn wir üben!»).
Belohnen fürs Schulzeugnis?
Für jeden 5er einen Fünfliber? «Bloss nicht!», von leistungsbezogener Belohnung hält die Lernberaterin nichts. Fortschritt, der auf Einsatz und Bemühen abzielt, dürfe man aber würdigen («Du hast sogar gut mitgemacht, auch wenn du auf Hausaufgaben keine Lust hattest!», «Du bist so viel besser geworden!»).
Statt einer Belohnung im Nachhinein hilft vielleicht dieser lustige, aber durchaus wissenschaftlich bestätigte Tipp durch das Schuljahr hindurch. Schaden tut die Idee bestimmt nicht - sie duftet höchstens fein.
Vorleben!
Kinder lernen durch Abschauen. «Erzählen Sie von spannenden Büchern, die Sie gelesen haben», rät Hohl. «Lassen Sie Kinder an Weiterbildungen und dem Lernen einer Fremdsprache teilhaben!» («Ich muss noch kurz Wörter lernen, dann können wir spielen.»). Generell sollten Eltern viel mehr laut denken («Ich habe keine Lust, die Wäsche aufzuhängen. Aber ich mache es halt. Zur Belohnung lese ich dann eine Viertelstunde in meinem Lieblingsbuch.»). «Es geht darum, Strategien aufzuzeigen, Kindern vorzuleben, wie man Aufgaben erledigt», empfiehlt Jolanda Hohl. «Wie sonst sollen sie es lernen?»
So können Eltern ihre Kinder das ganze Jahr hindurch unterstützen
- Gemeinsam schauen: Wo arbeitest du am besten? Stimmt dieser Ort für dich? Warum nicht? Was könnten wir verbessern? Anregungen dazu findest du hier. Wann machst du deine Hausaufgaben? Gleich nach der Schule? Erst nach dem Zvieri? – und sich dann daranhalten. Feste Strukturen und Rituale geben Halt, und schaffen eine positive Lernumgebung.
- Von Anfang an die Verantwortung für Hausaufgaben beim Kind lassen. Faustregel für eine angemessene Grössenordnung: Zehn Minuten Hausaufgaben pro Tag und Schuljahr. Weitere Hausaufgaben-Tipps findest du hier.
- Falls das Kind Hilfe braucht: vor allem Fragen stellen («Was hast du bis jetzt verstanden?», «Wo könntest du nachschauen?»). Nicht nur auf Fehler fokussieren, mehr wertschätzende Rückmeldungen geben. Was, wenn das Kind kaum etwas von der Schule erzählt?
- Bei Schwierigkeiten: Kontakt mit der Lehrperson suchen, eventuell zusätzlich zu Hause üben, aber nicht mehr als 5 bis 15 Minuten täglich. Gleichzeitig darauf achten, dass das Kind genügend Freizeit hat. Und sich immer wieder entspannen kann. Und wie eingangs erwähnt nicht vergessen: Im Leben zählen noch andere Dinge als die Schulnoten.
Weitere Infos: via-lernen.ch
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Foto: Getty Images
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